RTL Explosiv hat am Wochenende mit einem Beitrag zu der Gefahr von Aluminium bzw. von Aluminiumsalzen in Deodorantes erneut zugeschlagen. Hintergrund ist diesmal wohl, dass das Verbraucherministerium – natürlich angeregt durch die RTL Recherche – prüft, wie gefährlich Aluminium in Kosmetika ist. Das ist in der Tat eine gute Nachricht. Auch wir sind gespannt, ob es hier neue Erkenntnisse geben wird, die über die Risikoeinschätzung des BfR hinausgehen. Eine weniger gute Nachricht ist, dass der Beitrag wieder – abermals über die Brustkrebspatientin Eva Glave – einen kausalen Zusammenhang zwischen Antitranspirantien mit Aluminiumsalzen und Brustkrebs herstellt. Aber darüber haben wir ja vergangene Woche bereits gebloggt und machen dieses Fass daher nicht noch einmal auf.
Neu sind beim aktuellen Beitrag vom 4. Mai allerdings die Einheiten der Aluminiummengen, die beim Benutzen der untersuchten Deos vom Körper aufgenommen werden. Während im ersten Beitrag vom 30. April die Mengen in der Grafik in Milligramm (mg) angegeben waren, sprach der Sprecher von Mikrogramm (µg). Im aktuellen Bericht vom 4. Mai sind auch die Angaben in der Grafik in Mikrogramm angegeben. (1)
Mengenangaben in Milligramm (mg) in der Sendung vom 30. April. Screenshot: StimmtHaltNicht
Mengenangaben in Mikrogramm (µg) in der Sendung vom 04. Mai. Screenshot: StimmtHaltNicht
Hat RTL diesen Fehler behoben, hätte man meinen können, dass der Sender das Missgeschick erklärt und nun genauere Angaben zu seiner Berechnung macht. Aber weit gefehlt: Der Zuschauer erfährt nun gar nichts mehr über die Berechnung des Aluminiumanteils. Doch gerade das wäre doch wichtig, denn nach dem BfR ist bisher ja nur wenig über die Aufnahme von Aluminium aus kosmetischen Mitteln über die Haut bekannt.
Wie viel Aluminium aus Deos geht durch die Haut?
Schaut man in den ersten Beitrag werden dort „wissenschaftliche Anhaltspunkte“ als Ausgangspunkt für die RTL-Berechnungen genannt. Diese besagten angeblich, dass „0,33 Prozent des aufgesprühten Aluminiums von der Haut aufgenommen werden“. Was die Quelle für diese „Anhaltspunkte“ ist, erfährt der Zuschauer nicht. Doch woher hat RTL die Angaben von 0,33 Prozent, wenn die zugrundeliegende Datenlage so schlecht ist?
Die Stellungnahme des BfR gibt hier womöglich Antworten. Doch zunächst liest man hier von erschreckend wenig Evidenz: „Die einzige In-vivo-Studie zur Hautpenetration von Aluminium aus Aluminiumchlorohydrat-haltigen Antitranspirantien wurde an lediglich 2 Probanden, einem Mann und einer Frau, durchgeführt.“, schreibt das BfR und gibt weiter zu bedenken, dass die Daten große Unterschiede zwischen den beiden Versuchspersonen zeigten. Sieht man von dieser WINZIGKEIT ab, gab es tatsächlich Ergebnis: Anhand der ausgeschiedenen Menge Aluminiums im Urin errechneten die Studienautoren eine Penetrationsrate von ca. 0,014 Prozent. Dass RTL einen anderen Wert nennt, hängt vermutlich damit zusammen, dass der Sender von aufgesprühten Deos spricht. Denn: „Bei der Verwendung eines aluminiumhaltigen Antitranspirants in Sprayform muss eine mögliche inhalative Aufnahme zusätzlich zur dermalen Aufnahme berücksichtigt werden. In Studien konnte gezeigt werden, dass die inhalative Aufnahme von Aluminium höher ist als die Aufnahme über das Trinkwasser, bei der eine orale Bioverfügbarkeit von 0,3 % angenommen wird.“, schreibt das BfR.
Es handelt sich bei dem RTL-Wert also vermutlich nicht alleine um die Aufnahme durch die Haut, sondern um die kombinierte Aufnahme durch Haut und Einatmen. (2) Bei der Verwendung eines Antitranspirants ausschließlich auf der Haut, zum Beispiel durch einen Deoroller, würde dagegen alleine die Penetrationsrate von ca. 0,014 Prozent greifen und die Ergebnisse wären längst nicht so spektakulär. Mehr noch: Die Mengenangaben würden eventuell unter den Grenzwert für einen 60 kg schweren Erwachsenen von 60,2 Mikrogramm (µg)/Woche fallen und die Verbraucher wären weniger besorgt.
BfR: Deos mit Aluminium sind auf Dauer nicht „tolerierbar“
Das BfR hatte übrigens in seiner Stellungnahme mit dem oben genannten Wert von 0,014 Prozent eine beispielhafte Rechnung über eine geschätzte Aluminiumaufnahme aus Antitranspirantien aufgestellt. Die Risikoexperten legten ihren Berechnungen die Annahmen zugrunde, dass als aktiver Wirkstoff in Antitranspirantien hauptsächlich Aluminiumchlorohydrat in einer Konzentration von ca. 20 Prozent zum Einsatz kommt und dies einem Aluminium-Anteil von etwa 5 Prozent entspricht. (3) Ebenso rechneten sie mit einer täglich zweimaligen Applikation auf einer Fläche von 200 cm².
Das Ergebnis: Die Aluminiumaufnahme liegt mit rund 73,5 µg tatsächlich über den 60,2 µg pro Woche, die für einen 60 kg schweren Erwachsenen als unbedenklich angesehen werden. Die Werte für geschädigte Haut, beispielsweise Verletzungen durch eine Rasur, lagen um ein Vielfaches darüber. Doch stop! Nicht jeder, der sich jetzt nicht mehr „so fit“, weniger „leistungsfähig“ oder „leicht erschöpft“ fühlt, hat gleich eine Aluminiumbelastung, wie es der RTL-Beitrag suggeriert. Bis eine Beeinträchtigung entsteht, dauert es eine Weile: „Die regelmäßige Benutzung eines aluminiumhaltigen Antitranspirants über Jahrzehnte hinweg führt möglicherweise zu einer Erhöhung der Aluminiumbelastung des Körpers, die zu einem späteren Zeitpunkt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen beitragen können.“, so die Risikoexperten. Um genauere Angaben über Zeiträume und mögliche Beeinträchtigungen zu machen, fehlen Daten oder sind widersprüchlich.
Dunkelblau hinterlegte Felder kennzeichnen die Eigenschaften des in dieser Stellungnahme bewerteten Risikos
(nähere Angaben dazu im Text der Stellungnahme Nr. 007/2014 des BfR vom 26. Februar 2014)
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Wer derweilen auf Nummer sicher gehen will, kann seine Aluminiumaufnahme selbst minimieren. Zum Beispiel indem er Anitranspirantien nicht unmittelbar nach der Rasur bzw. bei geschädigter Achselhaut aufträgt. Auch kann ein Deodorant ohne Aluminiumsalze verwendet werden. Und Aluminium ist keinesfalls nur in Deos: „Neben Antitranspirantien können auch dekorative Kosmetika, wie Lippenstift und Lidschatten, sowie Zahnpasten oder Sonnencremes Aluminium enthalten.“, so das BfR.
Quellen:
RTL, 04.05.14, Aluminium in Deos krebsauslösend? Verbraucherschutzministerium prüft Kennzeichnung, URL: http://www.rtl.de/cms/ratgeber/aluminium-in-deos-krebsausloesend-verbraucherschutzministerium-prueft-kennzeichnung-3a9d9-6e4e-24-1890836.html
Bundesinstitut für Risikobewertung, 26.02.2014, Aluminiumhaltige Antitranspirantien tragen zur Aufnahme von Aluminium bei, URL: http://www.bfr.bund.de/cm/343/aluminiumhaltige-antitranspirantien-tragen-zur-aufnahme-von-aluminium-bei.pdf
SpiegelOnline, 01.05.2014, Kosmetik mit Aluminium: Regierung prüft Gefährlichkeit von Deos, URL: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/aluminium-in-kosmetik-bundesregierung-prueft-gefahren-a-967130.html
(1) Danke noch einmal an Tommy, der in seinem Kommentar zum ersten Blogeintrag auf diesen Fehler aufmerksam gemacht hat.
(2) Ist dies der Fall ist auch hier ein gravierender Fehler im RTL-Beitrag, nach dem die wissenschaftlichen Anhaltspunkte ja besagen, dass „0,33 Prozent des aufgesprühten Aluminiums von der Haut aufgenommen werden“.
(3) Interessant wäre hier gewesen, ob die von RTL untersuchten Deodorantes einen ähnlichen Prozentanteil an Aluminiumchlorohydrat beinhalteten.