StimmtHaltNicht – Wie der Fernsehsender N24 auf seiner Website berichtet, haben amerikanische Wissenschaftler um Russell* Kempker von der Emory Universität gezeigt, dass Cannabis-Konsum nicht immer zu Beschwerden der Atemwege führen muss.
Die Behauptung: Ein Joint pro Tag ist in Ordnung
Die Forscher fanden keinen Unterschied in der Lungenfunktion von regelmäßigen Kiffern und Abstinenzlern. Das galt jedoch nur, sofern sich die Cannabis-Freunde nicht mehr als einen Joint pro Tag gönnten. Die Teilnehmer der Studie waren zwischen 18 und 59 Jahre alt; die ausgewerteten Daten deckten einen Zeitraum von 20 Jahren ab.
Was daran nicht stimmt
Anders als N24 vermeldet, haben die amerikanischen Forscher keineswegs Kiffer über 20 Jahre hinweg beobachtet und untersucht. Stattdessen haben sie die Daten von zwei Erhebungen des National Health and Nutrition Examination Survey ausgewertet. Die Erhebungen fanden 2007 bis 2008 sowie 2009 bis 2010 statt. Die Teilnehmer wurden auf ihre Lungenfunktion getestet und gaben an, ob und in welchem Umfang sie Cannabis konsumierten.
Demnach hatten Teilnehmer, die eigenen Angaben zufolge bis zu 20 Jahre regelmäßig kifften, tatsächlich keine verschlechterte Lungenfunktion.
Solche Erinnerungsstudien sind allerdings fehleranfällig. Wer kann sich schon genau daran erinnern, wie viel er vor 13 oder 19 Jahren geraucht hat? Wir können uns gut vorstellen, dass diejenigen, die Lungenprobleme haben, die Zahl ihrer Joints eher überschätzen; vielleicht, weil sie nach Ursachen für ihre Probleme suchen. Im Gegensatz dazu unterschätzen Gesunde eventuell ihren Konsum. Für ihren Alltag mag es schlichtweg keine große Bedeutung haben. Sicher könnte man nur sein, wenn der Cannabis-Konsum tatsächlich über 20 Jahre hinweg protokolliert worden wäre.
Außerdem verschweigt N24, dass Kiffer, die mehr als 20 Jahre lang inhaliert hatten, durchaus eine verschlechterte Lungenfunktion aufwiesen. (Allerdings sind die Studienautoren der Ansicht, die Probleme ähnelten eher nicht der Lungenverengungen, die sich üblicherweise bei Rauchern beobachten lassen. Wir sind keine Pulmologen und können das nicht wirklich beurteilen.)
Und das Krebsrisiko?
Worauf noch hinzuweisen wäre: Wie der Krebsinformationsdienst berichtet, wird beim Verbrennen von Tabak „eine Vielzahl von Stoffen freigesetzt, die nachweislich krebserzeugend sind oder zumindest in diesem Verdacht stehen.“ Sofern die Kiffer ihre Joints nicht ohne Tabak drehen, sind auch sie diesen Risiken ausgesetzt. (Vielleicht sogar auch sonst: Was beim Verbrennen von purem Marihuana freigesetzt wird, wissen wir nicht.) Die Heidelberger Krebsexperten meinen: „Einen unteren Grenzwert gibt es nicht: Auch wer wenig raucht, hat statistisch ein höheres Krebsrisiko als ein echter Nichtraucher.“
*Russell? Der Autor in der verlinkten Studie zumindest heißt Jordan Kempker.
Quellen:
N24 (24. Januar 2015). Ein Joint pro Tag schadet der Lunge nicht (Link)
Jordan Kempker et al. (2014). Effects of Marijuana Exposure on Expiratory Airflow: A Study of Adults who Participated in the U.S. National Health and Nutrition Examination Study. (Abstract)
Krebsinformation (2010). Gelegenheitsrauchen – Wie schädlich ist „ein bisschen“? (Link)