Die Antibaby-Pille macht dick

StimmtHaltNicht – Frauen, die die „Pille“ oder andere hormonelle Verhütungsmethoden nutzen, haben deshalb wahrscheinlich nicht mehr Gold auf den Hüften als solche, die mit Kondomen verhüten. Das sagt das IQWiG in einer aktualisierten Gesundheitsinformation.Movie Passengers (2016)

Dick durch Pille? Wohl eher nicht, sagen Experten.
Dick durch Pille? Wohl eher nicht, sagen Experten.

Wirkliche Sicherheit (in Form von guten Untersuchungen) gibt es aber mal wieder nicht. Immerhin: Die Cochrane Collaboration hat existierende Studien zur Fragestellung zusammengefasst und konnte keinen ausreichenden Beleg für einen Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütung und Gewichtszunahme feststellen. Die Wissenschaftler zogen vielmehr den Schluss: Hormonelle Verhütungsmittel führen sehr wahrscheinlich nicht zu einer starken Gewichtszunahme.

Doch wie kommt es dann, dass manche Frauen das Gefühl haben während der Pilleneinnahme an Gewicht zuzulegen und eine Gewichtszunahme sogar in der Packungsbeilage als mögliche Nebenwirkung angegeben ist?

Nach den Kölnern Gesundheitsexperten vom IQWiG hat das womöglich einen ganz naheliegenden Grund: Viele Frauen nehmen über die Jahre langsam zu, unabhängig davon, ob sie hormonell verhüten oder nicht (das ist übrigens kein frauenspezifisches Problem).

Und wie kommt die Gewichtszunahme dann auf den Beipackzettel? Es gibt nun einmal Frauen, die während oder nach der Einnahme der Pille über eine Gewichtszunahme berichten. Unabhängig davon, ob diese durch die hormonelle Verhütung oder altersbedingt entstanden ist, wird sie als mögliche unerwünschte Wirkung auf dem Beipackzettel angegeben. Wer genau hinschaut wird jedoch auch sehen: Neben der Gewichtszunahme wird meist ebenso eine Gewichtsabnahme angegeben – auch hierrüber berichten Frauen nach der Einnahme von hormonellen Verhüterli.

StimmtHaltNicht LeserService:
Habt Ihr die Pille mal vergessen? Keine Panik! Hier gibt’s aktuelle und qualitätsgeprüfte Infos: http://www.patienten-information.de/gesundheitsinformationen/pille-vergessen/?

Quellen:
Gesundheitsinformation des IQWiGs (mit weiterführenden Infos zum Thema Verhütung): http://www.gesundheitsinformation.de/verhuetung-machen-die-antibabypille-oder-andere-hormonelle.453.de.html
Review der Cochrane Collaboration: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858. CD003987.pub4/abstract;jsessionid=3A06D68930EDA13E5E0C0A892CF320DF.d04t02

Wer raucht und trinkt, hat am nächsten Morgen einen besonders üblen Kater

ACH NEE. Wir Autoren von StimmtHaltNicht nehmen keine Drogen, nie. Eine heiße Milch, ein gutes Buch, mehr brauchen wir nicht, um glücklich zu sein. Doch selbst wir wissen: Wer säuft und raucht, dem geht es am nächsten Tag meistens nicht so besonders. Wir hörten von Kopfschmerzen, Übelkeit und starker Müdigkeit.

Eine Studie, in der dieser Zusammenhang belegt werden soll, indem 113 Studenten zu ihren Erfahrungen befragt werden – die hätten wir nicht gebraucht. Genau eine solche Arbeit aber ist vor Kurzem im Journal of Studies on Alcohol and Drugs erschienen. Damaris J. Rohsenow vom Center for Alcohol and Addiction Studies der Brown University in Providence fragte sich, warum manche Suffköppe am nächsten Tag weniger von Hangover geplagt waren als andere. Sie vermutete, dass Zigaretten möglicherweise etwas damit zu tun gehabt haben könnten.

In der Original-Pressemitteilung heißt es:

„Researchers found that college students were more likely to report hangover symptoms after a heavy drinking episode if they smoked more heavily on the day they drank. […] At the same number of drinks, people who smoke more that day are more likely to have a hangover and have more intense hangovers.“

Wir hatten bereits erwähnt: Von diesem Effekt hatten wir schon mal gehört. Uns hätte interessiert, warum es ihn gibt. Dass man das nicht herausfindet, indem man Studenten nach ihren Trinkerfahrungen fragt, hätten wir auch vermutet.

Was sagt Expertin Rohsenow?

The how isn’t fully clear. But other research has shown that nicotine receptors in the brain are involved in our subjective response to drinking.

Aha. Oder eben: Ach nee.

Quellen:

Jackson, K. M., Rohsenow, D. J., Piasecki, T. M., Howland, J., & Richardson, A. E. Role of tobacco smoking in hangover symptoms among university students. Journal of Studies on Alcohol and Drugs, 74(1), 41. Online zugänglich unter: www.jsad.com/jsad/link/74/41
Pressemitteilung: www.eurekalert.org/pub_releases/2012-12/joso-smw120312.php

Mineralöl in Adventskalender-Schokolade macht Krebs

StimmtHaltNicht – Die große Medienwelle gegen das allmorgendliche Stück Schokolade in der Vorweihnachtszeit ist unbegründet: Das in einem Stück möglicherweise enthaltene Mineralöl ist im Verhältnis zur täglichen Gesamtaufnahme der sogenannten Kohlenwasserstoffgemische unerheblich. Das schrieb das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am Dienstag auf seiner Website und reagiert damit auf eine Untersuchungen der Stiftung Warentest. Die Stiftung hatte in der Schokolade aus verschiedenen Adventskalendern Kohlenwasserstoffgemische nachgewiesen. Es folgte – wen wunderts – ein medialer Aufschrei.

Freilich, toll finden es auch die Sicherheitsexperten vom BfR nicht, wenn Schokolade mit Bestandteilen aus Mineralölen verunreinigt ist. Diese Kohlenwasserstoffgemische seien nicht ausreichend untersucht und so könne beispielsweise eine mögliche krebserzeugende Wirkung in Lebensmitteln nicht ausgeschlossen werden. In Beamtensprache schlussfolgern sie: Solch ein Übergang sei grundsätzlich unerwünscht und sollte vermieden werden.

ABER der Übergang von Mineralölbestandteilen aus Verpackungen von Recyclingkarton in Nahrungsmittel sei nicht überraschend, sondern sogar zu erwarten, so die Experten. Und selbst wenn man den „Worst Case“ annehme, ergebe sich durch das Essen von einem Stück Schokolade pro Tag ein nur „sehr geringer zusätzlicher Anteil“ zu der Menge an Mineralölen, die man ohnehin täglich durch die Nahrung aufnehme.

Wer sich also die Zeit bis Heilig Abend mit Kalender-Schoki verkürzen will, kann dies nach wie vor mit gutem Gewissen tun.

Google-News-Suche vom 27.11.2012: Panikmache durch Tatsachenbehauptungen

 

 

Bewertung von Stiftung Warentest: www.test.de/Adventskalender-mit-Schokoladenfuellung-Mineraloel-in-der-Schokolade-4471436-0/

Stellungnahme vom BfR: www.bfr.bund.de/de/mineraloelbestandteile
_in_schokolade_aus_adventskalendern-132163.html

Ne Kneipe umme Ecke schadet dem Alkoholkonsum

ACH NEE… Gelegenheit macht Trinker. Das hätten wir uns auch ohne Studie gedacht. Aber hier habt ihr es noch einmal schwarz auf weiß:

So gehts für Nachbarn aus der Kneipe: Hintern wund, Nase rot und auf allen Vieren
So gehts für Nachbarn aus der Kneipe: Hintern wund, Nase rot und auf allen Vieren

Ist eine Kneipe um die Ecke, trinkt man öfter mal ein Bierchen, so eine wissenschaftliche Studie, die im Fachmagazin „Addiction“ veröffentlicht wurde. Die Autoren und sicher nächsten Nobelpreisträger kommen dieses Mal aus Finnland. Wie das Deutschlandradio berichtet haben sie mehr als 50.000 Finnen über sieben Jahre begleitet. Ihr Fazit: Bei Personen, die einen Kilometer näher an eine Kneipe zogen, stieg das Risiko zum schweren Trinker zu werden, um 17 Prozent. Gleiches galt übrigens scheinbar auch, wenn die Kneipe zu den Personen zog, sprich sich ein Barmann in der Nähe niederließ.

Danke für diese Ergebnisse, wir behalten nun die Nachbarschaft im Auge. Prost.Watch movie online The Lego Batman Movie (2017)

Quellen:
Artikel vom Deutschlandradio: http://wissen.dradio.de/nachrichten.59.de.html?drn:news_id=154905
Hier geht’s zur Studie: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1360-0443.2012.04053.x/abstract

Ach ja, als schwere Trinker definieren die Wissenschaftler Männer, die pro Woche mehr als 300 Milliliter reinen Alkohol trinken (entspricht zwölf Halbliterflaschen Bier) oder Frauen mit mehr als 200 Millilitern (acht Flaschen).

 

Cranberrysaft beugt einer Blasenentzündung vor

StimmtHaltNicht – Hilft Cranberrysaft gegen Blasenentzündungen? Das wurde in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert. Jetzt steht fest: Eine vorbeugende Wirkung von Cranberrysaft ist unwahrscheinlich. Das schreiben Wissenschaftler in einer systematischen Übersichtsarbeit, die jetzt in der Cochrane Library erschienen ist. Falls es doch einen Nutzen gebe, sei der in jedem Fall kaum der Rede wert und gelte auch nur für Frauen mit wiederkehrender Zystitis, wie Fachleute eine Blasenentzündung nennen.

Cranberrysaft

Cranberrysaft. Foto: StimmHaltNicht

In der bisher letzten Übersicht der Cochrane Library aus dem Jahr 2008 hatte es noch geheißen, Cranberrys könnten zumindest in begrenztem Umfang gegen Infektionen der Harnwege helfen. Jetzt sagen die Cochrane-Experten, dass ein Nutzen ziemlich unwahrscheinlich ist. Sie stützen ihre Aussage auf 24 einzelne Studien mit insgesamt 4473 Teilnehmern. Cranberry-Extrakte wurden entweder in Form von Saft, Tabletten oder Kapseln verabreicht. Zum Vergleich wurden Menschen herangezogen, die entweder glaubten, Cranberry-Produkte zu sich zu nehmen oder aber anderweitig behandelt wurden. Veröffentlichungen der Cochrane Collaboration geben einen guten Überblick über den aktuellen Wissensstand zu einer medizinischen Fragestellung.

Quellen:
Jepson RG, Williams G, Craig JC. Cranberries for preventing urinary tract infections. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 10. Art. No.: CD001321. DOI: 10.1002/14651858.CD001321.pub5. Abstract: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD001321.pub5/abstract
Pressemitteilung: www.eurekalert.org/pub_releases/2012-10/w-cjn101212.php#
Zum Weiterlesen: Blasenentzündung: Ärzte rätseln über Schutzwirkung der Cranberry, Spiegel Online. Der Text ist im Juli 2012 erschienen, die aktuelle Cochrane-Veröffentlichung fehlt deshalb. Trotzdem ein ganz guter Überblick.

Schmerzmittel Paracetamol verursacht Leberschäden

StimmtHaltNicht – Paracetamol wirkt und verursacht in der Regel keine Schäden an der Leber. Das sagt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Nachdem Wirksamkeit und Sicherheit von Paracetamol-haltige Arzneimittel in den vergangenen Jahren immer wieder hinterfragt wurden, hat das BfArM die wissenschaftlichen Studien zum Thema neu ausgewertet. Die Arzneimittelexperten schlussfolgern:

1.       Paracetamol wirkt bei leichten bis mäßig starken Schmerzen und bei Fieber.

2.       Wer das Medikament wie empfohlen einnimmt, braucht sich keine Sorgen um seine Leber zu machen – in den Untersuchungen konnten keine Leberschädigungen festgestellt werden. Wer jedoch zu viel Paracetamol einwirft, kann Schaden nehmen: Eine Paracetamol-Überdosierungen ist in Deutschland für 9 von 100 der Fälle von akutem Leberversagen verantwortlich.

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Quellen: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Informationen aus BfArM und PEI,  Ausgabe 3 | September 2012. www.bfarm.de/SharedDocs/1_Downloads/DE/BfArM/publ/bulletin/2012/3-2012.pdf?__blob=publicationFile

Ärzteblatt: BfArM bewertet Paracetamol als wirksam und sicher. www.aerzteblatt.de/nachrichten/51655

Am Strand: Sonne ist beliebter als Regen.

Ach nee. Australische Wissenschaftler haben herausgefunden, wann die meisten Menschen an den Strand gehen. Die Ergebnisse sind eine Sensation (Trommelwirbel). An den untersuchten Stränden war mehr los, wenn:

  • es nicht regnete,
  • ein leichter bis mittlerer Wind blies und
  • die Wellenhöhe nicht über als 1,25 Meter betrug.

(Puh, erst mal sacken lassen.)

Wir sind uns sicher: In der Tourismusbranche wird ein Umdenken stattfinden. Langfristig könnte sogar die Hauptreisezeit in den Sommer verlegt werden.Movie All Is Lost (2013)

Quelle:
Zhang F, Wang XH (2012). Assessing preferences of beach users for certain aspects of weather and ocean conditions: case studies from Australia. Abstract unter www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22661009
Via Discoblog

Die Hirnforschung tut so, als habe sie auf alles eine Antwort

StimmtHaltNicht. Die Hirnforschung – wer auch immer damit gemeint ist – ist sich ihrer Grenzen ganz gut bewusst. Zumindest, so weit wir das beurteilen können.

Aber der Reihe nach: In dieser Woche haben sich die Journalisten des SZ-Magazins entschieden, ihre Titelgeschichte der Hirnforschung zu widmen. Angekündigt wird sie mit der Überschrift: „Hohle Nuss„. Damit ist schon mal klar, in welche Richtung es geht. In der Unterzeile heißt es, „die Hirnforschung“ tue so, als „habe sie auf alles eine Antwort“. Damit wird der gesamte Forschungszweig so weit überhöht, dass er tief fallen muss.

Wir finden, dass Andreas Bernard, der Autor, nicht immer sauber argumentiert. Der Text ist ziemlich lang. Deshalb beschränken wir uns auf drei Beispiele, an denen das deutlich wird.

1. Nicht ganz neu ist der Vorwurf, „die“ Hirnforschung erhalte mehr öffentliche Aufmerksamkeit, als ihr aufgrund ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse zustehe. Auch im SZ-Magazin wird dieses Argument aufgegriffen. Als Beleg dienen die aktuellen Bestellerlisten:

Nicht umsonst versuchen drei der fünf meistverkauften Sachbücher im August 2012 den Geheimnissen des Denkens auf die Spur zu kommen.

Grafik: Hirnforschung, Bild: Eva Künzel

Die Hirnforschung: Weiß sie auf alles eine Antwort?

Geschenkt, dass Bücher über das Denken nicht zwangsläufig aus einer neurowissenschaftlichen Perspektive geschrieben sein müssen. Nicht ganz fair ist allerdings, dass Bernard nur die Zahlen verwendet, die in seine Argumentation passen, nämlich die Verkäufe von Hardcover-Sachbüchern. Bei den Taschenbuch-Sachbüchern werden die ersten drei Plätze von Veröffentlichungen belegt, die sich mit dem Thema Schule beschäftigen; „Lehrerkind“, „Chill mal, Frau Freitag“ und „Voll streng, Frau Freitag“ (Stand 2. September 2012). Schaut man sich an, welche Hardcover-Sachbücher im Jahr 2011 am besten liefen, bleiben die Namen Steve Jobs, Helmut Schmidt und Richard David Precht hängen. Wir wären vorsichtig, aus solchen Zahlen allgemeine Trends abzuleiten.

2. Weiter im Text. Noch auf der ersten Seite wird „den“ Hirnforschern ein recht vereinfachendes Menschenbild unterstellt:

Nur die messbare Hirnaktivität macht [für Hirnforscher] das Wesen des Menschen aus.

Das würde bedeuten, dass Neurowissenschaftlern alle Aspekte des Mensch-Seins egal wären, die man nicht mit fMRT- oder PET-Bildern abbilden kann. Es wäre so ähnlich, als würde man sagen: Wir messen, wie schnell ein Auto fahren kann, dann wissen wir alles über das Wesen dieses Autos.
Die Frage ist nur: Stimmt der Vorwurf? Wir haben geschaut, was Wissenschaftler (1) zu den derzeitigen Grenzen ihres Fachgebiets sagen, insbesondere zur Aussagekraft von Hirnscans:

Denn dass sich […] [etwas] im Gehirn an einer bestimmten Stelle abspielt, stellt noch keine Erklärung im eigentlichen Sinne dar. Und wie das funktioniert, darüber sagen diese Methoden nichts, schließlich messen sie nur sehr indirekt, wo in Haufen von hundert Tausenden von Neuronen etwas mehr Energiebedarf besteht. Das ist in etwa so, als versuche man die Funktionsweise eines Computers zu ergründen, indem man seinen Stromverbrauch misst, während er verschiedene Aufgaben abarbeitet.

Das klingt nicht unbedingt nach einem Allmachtsanspruch, bei dem nichts außer Hirnaktivität als Beleg für eine These gelten darf. Tatsächlich ist es so: Seriöse Forscher wissen, dass Hirnscans ein Puzzleteil sind, das helfen kann, Menschen zu verstehen. So, wie es auch helfen kann zu wissen, wie schnell ein Auto fahren kann.

3. Einen langen Abschnitt geht es um die Frage, ob Neuroimaging in Gerichtsverfahren helfen kann. Forscher wollen, so wird es dargestellt, eine Art unfehlbaren Lügendetektor konstruieren. Bilder des Gehirns sollen zeigen, ob jemand die Wahrheit sagt. Das Thema ist komplex, wir wollen es inhaltlich nicht weiter kommentieren. Aber: Ist es tatsächlich „eine der größten Ambitionen vieler Forscher“?
Der Kronzeuge, der im SZ-Magazin herangezogen wird, heißt John-Dylan Haynes. Er arbeitet tatsächlich an dem Thema. Nur: Ganz so euphorisch scheint er gar nicht zu sein. Er sagt in einem 3Sat-Beitrag:

Es wäre natürlich toll, wenn wir am Flughafen erkennen könnten, ob jemand vorhat, das Flugzeug in die Luft zu jagen, also wenn es einen ganz schnellen Screening-Test dafür gäbe. Aber ich glaube nicht, dass wir das in den nächsten Jahren so schnell sehen werden können, und zwar weil nämlich die möglichen bösen, finsteren Absichten, die eine Person haben kann, natürlich ganz vielfältig sind.

Auf diese Selbsteinschätzung hätte man natürlich hinweisen können. Und ob die Arbeit eines Wissenschaftlers gleichzusetzen ist mit „der größten Ambition vieler Forscher“?

Wir sind übrigens nicht der Ansicht, dass man Hirnforscher im Allgemeinen und Neuroimaging-Verfechter im Besonderen nicht kritisieren darf. Wir würden uns bloß mehr Fairness in der Argumentation wünschen.

Quellen:
(1) Christian Egler, Angela Friederici, Christof Koch, Heiko Luhmann, Christoph von der Malsburg, Randolf Menzel, Hannah Monyer, Frank Rösler, Gerhard Roth, Henning Scheich, Wolf Singer (2006). Das Manifest. Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung. In: Carsten Könneker: Wer erklärt den Menschen, S. 77-84.
(2) Rainer Mausfeld, Onur Güntürkün (2006). Wissenschaft im Zwiespalt. In: Carsten Könneker: Wer erklärt den Menschen, S. 129-137.

Immer erreichbar, immer im Stress: Da muss man ja depressiv werden.

StimmtHaltNicht. Es klingt so einleuchtend: Wer auch nach Feierabend schaut, ob der Chef eine Mail geschrieben hat, wer sonntags an seinen Projekten sitzt – der kann irgendwann nicht mehr. Und wird depressiv.

So argumentiert auch der AOK-Bundesverband. Vor Kurzem hat die Interessenvertretung der Allgemeinen Ortskrankenkassen eine Auswertung eigener Daten vorgestellt, den „Fehlzeiten Report 2012“. Dazu gehörte auch eine ausführliche Pressemitteilung. AOK-Vorstand Uwe Dreh stellt darin fest, dass die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen zunehmen. 2011 haben Mitarbeiter demnach an doppelt so vielen Tagen wegen psychischer Probleme gefehlt wie 1994. Einen Grund für diese Entwicklung liefert die AOK nach: „Arbeitnehmer, die ständig erreichbar sind, die immer am oberen Limit arbeiten oder lange Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf nehmen, sind großen psychischen Belastungen ausgesetzt“, sagt Helmut Schröder, Herausgeber des Fehlzeiten-Reports. Viele Medien haben diese Vorlage aufgegriffen. Bild.de titelt „So krank macht Flexibilität„, die Rheinische Post schreibt „Pendeln und ständige Erreichbarkeit machen krank„.

Dass heute mehr Menschen wegen psychischer Probleme krankgeschrieben werden als vor einigen Jahren, bestreitet niemand. Aber ist Stress im Beruf wirklich dafür verantwortlich? Ulrich Hegerl glaubt, dass – insbesondere bei Depressionen – andere Dinge entscheidend sind. Er ist Psychiater und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Er schreibt in einer Reaktion:

„Hinter der Zunahme in den Statistiken dürfte jedoch eher die sehr wünschenswerte Entwicklung stehen, dass
•    sich mehr Erkrankte professionelle Hilfe holen,
•    Ärzte Depressionen besser erkennen und behandeln, und, vermutlich am wichtigsten,
•    Depressionen auch Depressionen genannt und nicht hinter weniger negativ besetzten Ausweichdiagnosen […] versteckt werden.“

Ob veränderte Bedingungen im Job zu Depressionen führen, ist nach Hegerls Ansicht unklar. Er gibt zu bedenken, dass die Arbeitsschutzgesetze heute strenger seien als vor einigen Jahren. Zudem seien Depressionen bei Berufstätigen nicht häufiger als bei anderen Menschen – dies müsste aber so sein, wenn Arbeit der entscheidende Faktor wäre.

Wir vertrauen hier bei StimmtHaltNicht niemandem blindlings. Deshalb haben wir in Leitlinien für Fachleute und Patienten sowie in Lehrbücher geschaut. Dass die moderne Arbeitswelt für psychische Erkrankungen verantwortlich ist, steht darin aber auch nicht. Trotzdem ist es möglich, und vielleicht zeigen Studien in Zukunft auch deutliche Ursache-Wirkung-Beziehungen. Im Moment würden wir uns mit pauschalen Aussagen wie „Arbeit macht krank“ aber noch zurückhalten. Und trotzdem sonntags auch mal nichts machen.

Quellen:
AOK-Pressemitteilung vom 18. August 2012, http://www.aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2012/index_08759.html
Pressemitteilung der Deutschen Depressionshilfe: http://idw-online.de/de/news492260
Übersicht über Leitlinien zur unipolaren und bipolaren Depression: http://www.dgppn.de/publikationen/leitlinien/leitlinien10.html
Patientenleitlinie zur unipolaren Depression: http://www.versorgungsleitlinien.de/patienten/pdf/nvl-depression-patienten.pdf
Lehrbuch: Renneberg, Heidenreich, Noyon: Einführung klinische Psychologie

Digitale Medien machen dumm und aggressiv

StimmtHaltNicht. Machen Navis dumm, weil sie uns das Denken abnehmen, verkümmert unser Gedächtnis, weil wir Fakten in Clouds abspeichern oder googlen können? Der Psychologe, Hirnforscher und Bestsellerautor Manfred Spitzer meint: ja. In seinem neuen Werk „Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ warnt er vor schädlichen Folgen für Heranwachsende.

Die Kollegen von dasgehirn.info haben das Buch gelesen. Ihr Fazit: Solange Spitzer über konkrete Gefahren für Kinder und Jugendliche schreibt, belegt er seine Thesen nachvollziehbar. Doch was ist mit der eingangs zitierten Aussage, dass Internet, Computer und Smartphones auch für Erwachsene Teufelszeug sind? Gut belegt ist sie anscheinend nicht, wie der vollständige Beitrag der Hirnexperten zeigt.
Wir von StimmtHaltNicht denken nicht, dass das Internet grundsätzlich schlecht ist – schon weil wir darin so interessante Beiträge wie diesen finden.

Quelle: http://dasgehirn.info/aktuell/hirnforschung/der-sarrazin-kniff-mit-der-digitalen-demenz-4779