Archiv für den Monat: März 2014

Schöne Menschen, Wasser das schlau macht und mehr

KurzVerlinkt – Sex hilft gegen Kopfschmerzen? Vegetarier sind kranker als Fleischesser? Das stimmt selbstverständlich beides nicht, und wir haben darüber geschrieben.

Es gibt aber natürlich noch viel mehr Dinge, die nicht stimmen, die seltsam und manchmal auch lustig sind. Nicht alle Themen, die wir interessant finden, schaffen es letztlich in diesen Blog. Das ist eigentlich schade. Deshalb posten wir ab jetzt unregelmäßig Links zu Beiträgen, die zwar spannend sind, denen wir aber nicht weiter nachgegangen sind.

  • Sind schöne Menschen bessere Sportler? Das klingt nicht nur weit hergeholt – es stimmt halt auch nicht, schreibt die Wissenschaftsjournalistin Erika Engelhaupt. In ihrem Blogpost „Attractiveness studies are hot, or not“ seziert sie Studien und Medienberichte, die Zusammenhänge zwischen Attraktivität und wünschenswerten Eigenschaften behaupten. (Link)
  • Helfen Vitamin-D-Nahrungsergänzungsmittel gegen Depressionen? Bisherige Studien zu dieser Frage sind methodisch mangelhaft, sagen Medizinier um Jonathan Shaffer. Nachdem die Forscher sich sieben halbwegs aussagekräftige Veröffentlichungen angesehen haben, kommen sie zu dem Schluss: Insgesamt gab es keinen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Ergänzungsmitteln und der Besserung depressiver Symptome. Allerdings fanden sie in zusätzlichen Auswertungen durchaus Effekte. Antworten können nur bessere Studien geben. (Abstract)
  • Die beliebtesten Extrakte für pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel stammen in Europa übrigens aus: Ginkgo, Gemeiner Nachtkerze, Artischocke und Ginseng. Das berichten Wissenschaftler im Fachmagazin Plos One. Der Beitrag hat eine der längsten Liste von Interessenkonflikten, die wir je gesehen haben, aber das nur am Rande. (Volltext)
  • Auch wir hatten über Manfred Spitzers Thesen zur digitalen Demenz berichtet. Nun haben Medienpsychologen gezeigt, wie wenig Spitzers Behauptungen tatsächlich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmen. (Volltext)
  • Die Intelligenzforscherin Tanja Gabriele Baudson entdeckt in einem amerikanischen Supermarkt Wasser, das schlau machen soll. (Link)

Die Steinzeit-Diät ist gut für Sportler

Nachgehakt – Wie sollten sich Athleten ernähren? Das hat der Kölner Stadtanzeiger Petra Platen vom Institut für Sporternährung und -medizin der Universität Bochum gefragt.

Auf die Frage, ob es in ihrem Fachgebiet neue Entwicklungen gebe, antwortet Platen: „Der Trend könnte in nächster Zeit eher in Richtung Steinzeit-Ernährung gehen. Es ist der Versuch, unsere Ernährungsgewohnheiten wieder stärker an das zu adaptieren, wofür unsere Gene tatsächlich ausgelegt sind. Erste klinische Studien zeigen, dass eine steinzeitlich ausgerichtete Ernährung noch positivere Effekte hat als eine mediterrane.“

Die Antwort hat uns überrascht. Vor Kurzem haben wir selbst über die sogenannte Paläodiät geschrieben. Damals waren wir zu dem Fazit gekommen, dass die Sinnhaftigkeit dieser Ernährungsweise durchaus umstritten ist. Zugeben: Unser Beitrag war eher allgemein gehalten; im Kölner Stadtanzeiger geht es um Sportler. Trotzdem fragen wir uns, wie das zusammenpasst.

Vielleicht haben wir bei unserer Recherche etwas übersehen? Wir haben bei Petra Platen nachgefragt, welche klinischen Studien sie konkret meint. Leider hat sie zurückgemeldet, sie habe derzeit keine Zeit, uns eine Antwort zu geben.

Deshalb haben wir selbst noch einmal in der Studiendatenbank Pubmed nachgesehen. Gefunden haben wir immer noch wenig. Und was wir gefunden haben, ist methodisch nicht unbedingt überzeugend. Mal davon abgesehen, dass wir eben nicht nur Zustimmung zu diesem Diät-Muster gelesen haben.

Bis auf Weiteres heißt es deshalb: The jury is still out.

Quellen:
Kölner Stadtanzeiger (14.3.2014). Ernährung: „Essen wie unsere Vorfahren“ (Link)
Recherche auf Pubmed, www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed, Suchbegriffe: „paleolithic diet health“ (24 Treffer, darunter eine Handvoll Studien, die tatsächlich etwas mit Gesundheit und Ernährung zu tun haben) und „paleolithic diet and exercise“ (5 Treffer, darunter nichts, das etwas mit Sport zu tun hat)

Milch ist ungesund

StimmtHaltNicht – Milch ist nicht ungesund, zumindest nicht prinzipiell. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Milch nach wie vor als Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Trotzdem lesen und hören wir häufig: „Milch ist böse“.

Zumindest in dieser grundsätzlichen Zuspitzung stimmt das nicht.

Natürlich gibt es Leute, die Kuhmilch nicht vertragen. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland können den Milchzucker Laktose nicht verdauen. Ihr Körper kann das Enzym Laktase, welches die Laktose aufspaltet, nicht in ausreichender Menge bilden. Andere Menschen reagieren zudem allergisch auf bestimmte Eiweiße in der Kuhmilch.

Für Betroffene ist Milch tatsächlich ungesund.

Alle anderen können ruhig mal ein Glas Milch trinken. Denn seit der Jungsteinzeit hat sich in Europa eine genetische Ausstattung durchgesetzt, die es den meisten Menschen ermöglicht, das Enzym Laktase zu bilden und Milch zu verdauen. Natürlich muss niemand Milch zu sich nehmen, wenn ihm der Geschmack nicht behagt oder ihm die Kühe leidtun. Es gibt genügend andere Wege, den Körper beispielsweise mit Kalzium zu versorgen.

Chronisch krank durch Milch?
Trotzdem ist das Internet voll von Seiten, die Milch verteufeln. Das Zentrum der Gesundheit* etwa schreibt: „[…] Milchprodukte [belasten] […] den Organismus dauerhaft und leider unmerklich […]. […] [Sie können auf] diese Weise zur Entstehung meist chronischer Erkrankungen beitragen […].“

Das Problem mit Aussagen wie diesen ist, dass sie sich nur schwer beweisen lassen. Denn eine merkliche Belastung, so verstehen wir das, wäre eine, die der Arzt diagnostizieren kann – eine Unverträglichkeit oder eine Allergie also.

Eine unmerkliche Belastung, die man nicht fühlt und die sich nicht durch Tests belegen lässt, die aber irgendwann chronisch krank macht? Für eine einzelne Person lässt sich ein Zusammenhang zwischen einer Krankheit und dem Milchkonsum kaum belegen, erst recht nicht im Nachhinein.

Man könnte natürlich nach Indizien auf größerer Ebene suchen. Eine Möglichkeit wären lang angelegte Beobachtungsstudien. Dafür bräuchte man zwei Gruppen, die sich am Anfang kaum unterscheiden. Eine trinkt Milch, die andere verzichtet. Würden sich die Abstinenzler nun tatsächlich als gesünder erweisen, wäre das ein Anfang.

Bisherige Studien zum Thema scheinen aber von schlechter methodischer Qualität zu sein. Eine große Auswertung skandinavischer Wissenschaftler kam 2013 zumindest zum Schluss, dass der Konsum von Milchprodukten das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen wohl nicht erhöht.

Wir schließen mit einem Satz von Arnold Schwarzenegger: „Milk is for babies. When you grow up you have to drink beer.“

*Hinweis: Die Verbraucherzentrale Hamburg schreibt zum Zentrum der Gesundheit: „Objektivität der Ernährungsberatung: mangelhaft“ (PDF).

Quellen (Auswahl):
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (11/2013). Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE (Link)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen/Gesundheitsinformation.de (2010). Laktoseintoleranz (Link)
Die Zeit (48/2013). Bauchgrimmen (Link)
NDR Fernsehen (2012). Gute Milch, böse Milch (Link)
Agneta Åkesson et al (2013). Health effects associated with foods characteristic of the Nordic diet: a systematic literature review. Food Nutr Res. DOI: 10.3402/fnr.v57i0.22790 (Link)450px-Milk_glass

„Vegetarier kranker als Fleischesser“

StimmtHaltNicht – Es gibt viele Gründe, sich fleischlos zu ernähren. Manche verzichten auf Burger, Döner und Schnitzel, weil ihnen Tiere leid tun. Andere beißen lieber in die Tofuwurst statt in die Bratwurst, weil sie hoffen, das sei gesünder.

Letztere Annahme stellt nun die Bild-Zeitung infrage. Die Journalisten schreiben: „Vegetarier haben häufiger Krebs und mehr Herzinfarkte, leiden wesentlich öfter an Allergien und zeigen mehr psychische Störungen als Viel-Fleischesser.“

Diese Aussage geht auf eine Studie von österreichischen Wissenschaftlern um Nathalie Burkert von der Universität Graz zurück.

Doch bevor jetzt alle Vegetarier ihre Ernährung überdenken, haben wir uns die Untersuchung genauer angeschaut.
Erst einmal verschweigt auch die Bild-Zeitung nicht, dass die Befunde der österreichischen Wissenschaftler keinen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang beschreiben. Ob fleischlose Kost tatsächlich krank macht, oder ob gesundheitlich angeschlagene Menschen sich vergleichsweise häufig vegetarisch ernähren – diese Frage können Burkert und Kollegen nicht beantworten.

Der Grund dafür ist das gewählte Forschungsdesign. Die Wissenschaftler werteten einen zwischen 2006 bis 2007 erhobenen Querschnitt aus 1320 Österreichern aus. Wenn jemand allerdings nur einmal befragt wird, lässt sich daraus eben keine Entwicklung ableiten. Die Daten bilden nur den Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Erhebung ab.

Wie gesagt: Die Forscher behaupten nicht, dass vegetarische Ernährung für Krebs und andere Krankheiten verantwortlich ist. Warum man das in diese Untersuchung auf keinen Fall hineindeuten sollte, zeigt ein anderes Ergebnis der Auswertung. Demnach tranken die 330 Vegetarier am wenigsten Alkohol und waren auch von allen vier untersuchten Gruppen am dünnsten. Würde man bei der Untersuchung einen kausalen Zusammenhang unterstellen, müsste man damit auch sagen: Dick sein und saufen ist gesund.

In den Kommentarspalten der Fachzeitschrift Plos One wird die Studie von Burkert und Kollegen im Übrigen kritisch diskutiert. Ein Vorwurf lautet, dass eine frühere Analyse derselben Daten zu entgegengesetzen Ergebnissen kam. Burkerts Antwort: Die neue Auswertung sei genauer als die alte. Da die Gruppe der Vegetarier verhältnismäßig klein und bunt gemischt war, sei es sinnvoll gewesen, jedem einzelnen Fleischverzichter jeweils Fleischesser exakt desselben Alters und Einkommens gegenüberzustellen.

Quellen:
Bild.de (27. Februar 2014). Vegetarier kranker als Fleischesser. (Link)
Pressemitteilung der medizinischen Universität Graz (2014). Ausgewogene Mischkost bringt höchste Lebensqualität. (Link)
Nathalie T. Burkert et al. (2014). Nutrition and Health – The Association between Eating Behavior and Various Health Parameters: A Matched Sample Study. Plos One. DOI: 10.1371/journal.pone.0088278 (Volltext)
Krebsinformationsdienst (2007). Ernährung und Krebs (Link)

Läuseeier lassen sich nur mit Spezialshampoo aus den Haaren kämmen

StimmtHaltNicht – Doof genug, wenn man Kopfläuse hat. Aber selbst wenn die zwei bis drei Millimeter kleinen Insekten getötet wurden, sind ihre Eier, die sogenannten Nissen, immer noch schwer aus der Frisur zu bekommen. Die Weibchen der Gattung Pediculus humanus capitis kleben ihre Eier nämlich richtiggehend an den Haaren fest. Deshalb gibt es Spezialshampoos, die helfen sollen, die Nissen auszubürsten.

Aber braucht es diese Mittelchen überhaupt?

Eher nicht, sagen belgischen Wissenschaftler um Hilde Lapeere. Eine handelsübliche Haarspülung ist wohl ebenso effektiv.

Wie kommen die Forscher zu dieser Aussage? Sie untersuchten im Labor 605 Haare von sechs verschiedenen Kindern. An jedem Haar klebte eine Laus-Hinterlassenschaft. In der Mehrzahl handelte es sich dabei um leere Hüllen, nur in 14 Prozent der Fälle war noch ein totes Ei enthalten. Die Wissenschaftler versuchten nun, die Nissen zu entfernen und maßen, wie viel Kraft dafür notwendig war. Am schwierigsten gestaltete sich das bei unbehandelten, trockenen Haaren. Mandelöl und eine Ameisensäure-Lösung machten es ebenfalls nicht viel einfacher. Schon besser ging es, wenn die Haare mit Wasser eingeweicht waren. Doch am leichtesten war es für die Forscher, wenn sie die Haare vorab mit einer Spülung oder einem professionellen Nissen-Entfernungsprodukt durchgespült worden hatten.

Überraschenderweise gab es aber keinen nennenswerten Unterschied zwischen den Profi-Produkten und der Supermarkt-Spülung. Nach Ansicht der Wissenschaftler wirken Wasser, Spülung und Shampoo als eine Art Schmiermittel, mit deren Hilfe der Kamm besser durchs Haar gleitet. Das vermindert die Reibung, sodass weniger Kraft aufzuwenden ist.

Mit ihren Erkenntnissen bestätigen die Forscher um Hilde Lapeere bestehende  Empfehlungen, zum Beispiel der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA).

Dislaimer: Wir sind leider nicht an den Volltext der Studie herangekommen und beziehen uns deshalb auf diese Pressemitteilung.

Quellen:
Hilde Lapeere et al (2014). Efficacy of Products to Remove Eggs of Pediculus humanus capitis (Phthiraptera: Pediculidae) From the Human Hair. Journal of Medical Entomology (Abstract)
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2011). Kopfläuse … was tun? (Broschüre)
Robert-Koch-Institut (2008). Ratgeber Kopflausbefall (Link)