StimmtHaltNicht – Kieler Psychologen haben festgestellt: Männer mit pädophilen Neigungen reagieren anders auf Fotos von Kindergesichtern als andere Erwachsene. Diese Reaktion geht mit einem typischen Hirnstoffwechsel einher.
Über die Studie des Wissenschaftlers Jorge Ponseti von der Kieler Christian-Albrechts-Universität wird weltweit berichtet. Das können wir gut nachvollziehen. Schließlich widmet sich die Studie einem Thema, dass mit vielen Ängsten und Sorgen verbunden ist – und deshalb die Leser interessieren dürfte.
Was wir dagegen nicht verstehen: Warum haben so viele Online-Redakteure völlig überzogene Überschriften gewählt?
- Auf welt.de etwa heißt es: „Hirnaktivität entlarvt Pädophilie bei Männern„.
- Der Kölner Stadtanzeiger meint: „Forscher erkennen Pädophilie an Hirnaktivität„.
- Und Spiegel Online reicht „Hirnaktivität verrät Neigung zur Pädophilie“ ein.
Das ist ziemlich weit hergeholt. Warum? Die Forscher haben gezielt Pädophile ins Labor gebeten. Alle Probanden der Experimentalgruppe befanden sich in ambulanter sexualmedizinischer Behandlung. Einige von ihnen waren bereits mit entsprechenden Delikten aufgefallen. Soweit wir das dem Beitrag von Ponseti entnehmen, wussten die Wissenschaftler genau, wen sie vor sich hatten – und den Pädophilen war klar, dass sie an einem Experiment teilnahmen.
Da wurde also nichts „entlarvt“ oder „erkannt“, was nicht ohnehin bekannt war. Ob es also irgendwann möglich sein wird, Menschen mit pädophilen Neigungen per Hirnscann zu erkennen, ist völlig unklar. (Ob es, abseits des technisch machbaren, wünschenswert wäre, ist eine ganz andere Frage, die wir hier nicht diskutieren möchten.) Dass es sich um sehr vorläufige Ergebnisse handelt, verschweigen die meisten Texte, die wir gelesen haben, auch nicht.
Nur die Überschriften führen eben das eine oder andere mal in die Irre.
Hirnscans sehen oft spektakulär aus. Die Aussagekraft mancher Scans ist dagegen weniger beeindruckend. Beispielbild: Rike / pixelio.de
Quellen:
Jorge Ponseti et al. (2014). Human face processing is tuned to sexual age preferences. Biology Letters, Doi: 10.1098/rsbl.2014.0200 (Volltext) (Data Supplement)
www.welt.de (21. Mai 2014). Hirnaktivität entlarvt Pädophilie bei Männern (Link)
www.ksta.de (21. Mai 2014). Forscher erkennen Pädophilie an Hirnaktivität (Link)
www.spiegel.de (21. Mai 2014). Hirnaktivität verrät Neigung zur Pädophilie (Link)
Also in der Sendung „Was MACHT sexy?“ auf 3Sat am 22.Mai 2014 hört sich das aber anders an.
Dort wird behauptet man kann mittels „Hirnscann“ Neigung zur Pädophilie sehen.
Der Wissenschaftler ist sich sehr sicher unter allen Männern, Pädophile finden zu können.
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=34180 ab ca. Minute 33:00 .
Also genau die gleiche Behauptung wie der Spiegel im verlinkten Artikel.
In dem Experiment wussten die Forscher jedoch schon vorher, dass es sich um Pädophile handelt. (laut stimmthaltnicht)
Darüberhinaus finde ich es grundsätzlich schwer bis unmöglich, falsch-positive Ergebnisse zu erkennen. Also wenn der Hirnscan meint einen Pädophilen zu erkennen, die getestete Person aber keinerlei pädophile Neigung hat. Schliesslich kann die getestete Person nicht beweisen, dass sie nicht pädophil ist.
@sbck: Vielen Dank für den Link, interessante Sendung. Es kann schon sein, dass der Wissenschaftler theoretisch unter allen Männern die Pädophilen herausfiltern kann. Nur praktisch ist in der Studie, die wir uns angeschaut haben, wohl anders gelaufen. Soweit wir die Daten verstehen, sind die Teilnehmer dieser Studie tatsächlich vorab mit entsprechenden Vergehen aufgefallen. Es ging wohl eher darum, erst mal zu schauen: Gibt es da tatsächlich Unterschiede im Hirnstoffwechsel? Nun müsste man testen, wie gut diese sich zur Vorhersage eignen.