StimmtHaltNicht – Können Hunde Emotionen in menschlichen Gesichtern lesen, reicht ihnen ein Blick, um Wut und Freude voneinander zu unterscheiden? Ja, sagen Verhaltensforscher um Corsin Müller vom Messerli Forschungsinstitut an der Universität Wien. Über ihre Veröffentlichung im Fachblatt Current Biology haben zum Beispiel Bild der Wissenschaft, Spiegel Online und Focus Online berichtet.
Wie sind die Wissenschaftler vorgegangen?
Corsin Müller und seine Kollegen arbeiteten im Labor hauptsächlich mit Border Collies. Diesen zeigten sie in einer Lernphase jeweils ein fröhliches und ein zorniges Frauengesicht nebeneinander auf einem Toucscreen. Während eine Gruppe Vierbeiner übte, fröhliche Gesichter anzustupsen, wurde die andere belohnt, wenn sie die wütenden Gesichter wählte. Damit es die Tiere nicht zu leicht hatten, sahen sie jeweils nur menschliche Augen oder die Mundpartie. So wollten die Wiener Wissenschaftler ausschließen, dass sich die Tiere „lediglich an auffälligen Bildunterschieden wie den hervorscheinenden Zähnen oder den Zornesfalten zwischen den Augen“ orientieren, heißt es in der Pressemitteilung.
Offenbar waren die Hunde sehr aufnahmebereit. Der Pressemitteilung zufolge lernten die Vierbeiner, „zwischen fröhlichen und zornigen Gesichtshälften zu unterscheiden und schafften anschließend die korrekte Zuordnung auch spontan für komplett neue Gesichter“. Selbst bei Augen oder Mundpartien, die sie während der Übungsphase nicht zu sehen bekommen hatten, lösten sie die Aufgabe.
Was haben wir zu meckern?
Wir sind uns nicht sicher, wie aussagekräftig die Erkenntnisse der Verhaltensforscher wirklich sind. Der Pressemittelung zufolge beteiligten sich 20 Hunde an dem Experiment. Das sind nicht viele. Möglicherweise war der Versuchsaufbau so teuer, dass schlicht das Geld für weitere Durchläufe fehlte. Wir wissen das nicht, haben vergleichbares aber schon von anderen Forschern gehört. Grundsätzlich sind kleine Stichproben immer anfälliger dafür, Zufallsfunde zu übertreiben. Rückschlüsse auf die Gesamtheit aller Hunde sind deshalb mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.
Was uns aber sowohl in der Pressemitteilung als auch in den Berichten auf Bild der Wissenschaft, Spiegel Online und Focus Online wirklich gefehlt hat, war eine Zahl: 11. Denn zu Beginn der Lernphase waren, wie es in der Pressemitteilung heißt, 20 Hunde an der Untersuchung beteiligt.* Doch als es mit dem eigentlichen Versuch losging, waren es nur noch 11 (die korrekte Zahl steht zum Beispiel bei National Geographic oder in der Fachveröffentlichung selbst). Einige Hunde wurden demnach zum Experiment nicht zugelassen, weil sie die „Einschlusskriterien“ nicht erfüllten. Ihnen gelang es nicht, in der Trainingsphase eine vorab definierte Zahl von korrekten Lösungen zu liefern.
So, wie wir das verstehen, haben es diese Tiere also eben nicht geschafft, menschliche Emotionen zu deuten. Um sich als Leser ein Bild zu machen, wäre dieser Hinweis wirklich hilfreich gewesen. Dafür hätten die Autoren der Beiträge aber in die Studie schauen müssen.
*Die Forscher selbst schreiben von ursprünglich 24 Tieren, von denen es 18 in die Trainingsphase schafften (die anderen fielen etwa aus, weil die Frauchen keine Zeit mehr hatten).
Quellen:
Corsin A. Müller et al. (2015). Dogs Can Discriminate Emotional Expressions of Human Faces, Current Biology. DOI: 10.1016/j.cub.2014.12.055 (Abstract)
Pressemitteilung der Veterinärmedizinischen Universität Wien vom 12. Februar 2015 (Link)