Kurz kritisiert – Die Ärzte Zeitung berichtet über eine Studie des Rheingold Instituts zum Thema Depression. Demnach durchlaufen „Betroffene […] einen Prozess, der sich aus sechs Komponenten zusammensetzt.“ Ziel der Untersuchung sei es gewesen, die innere Logik der psychischen Störung herauszuarbeiten.
Ob tatsächlich ein nicht erfülltes Streben nach Perfektion ursächlich für Depressionen ist, wie die Rheingold-Marktforscher schlussfolgern, wollen wir an dieser Stelle nicht diskutieren. Auch wenn wir zumindest kurz darauf hinweisen möchten, dass wohl nicht jedes Scheitern an den eigenen Ansprüchen zu einer psychischen Störung führt.
Was wir kritisieren: Die Ärzte Zeitung erwähnt zwar, dass die Untersuchung vom Naturheilmedizin-Hersteller Pascoe bezahlt wurde. Dass das irgendwie problematisch sein könnte, dass das sogar ein waschechter Interessenkonflikt ist – kein Wort dazu. Dabei findet sich in einer ausführlichen Broschüre, die Pascoe zur Studie erstellt hat, auch dieser Abschnitt:
Mit Selbstmedikation können Betroffene erste Anzeichen wie Unruhezustände und Schlafstörungen wirksam lindern. Pflanzliche Arzneimittel bieten hier sehr gute Lösungen, um depressive Verstimmungen merklich auszugleichen.
Uns ist leider nicht ganz klar, woran die Befragten in der Untersuchung tatsächlich litten. Die konkrete Diagnose ist uneindeutig. Sowohl in der Ärzte Zeitung als auch bei Pascoe heißt es nur: „Von den 40 befragten Patienten litten alle explizit unter depressiven Verstimmungen mit entsprechenden Symptomen und Merkmalen.“ Wer hat das festgestellt, mithilfe welches Klassifikationssystems? Ohne diese Informationen weiß man nicht, ob die Betroffenen sich kurzzeitig „nicht so gut gefühlt haben“ oder an einer klinischen Depression litten, bei der die Symptome mindestens zwei Wochen bestehen.
Bei letzterer zumindest empfehlen Fachleute keineswegs eine Selbstmedikation mit pflanzlichen Arzneimitteln – sondern vor allem eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung. Unsere Meinung: Es ist einfach nicht in Ordnung, Menschen mit einer ernstzunehmenden Erkrankung, denen Psychologen und Psychiater helfen können, zum Apotheker zu schicken, um sich Beruhigungstropfen zu besorgen.
Quelle:
Robert-Koch-Institut (2010): Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 51, Depressive Erkrankungen (PDF)
Ärzte Zeitung (21.1.2015): Die sechs Stufen der Depression (Link)
Pascoe Naturmedizin (2015): Die geheime Logik der Depression (PDF)
Hallo zusammen,
hier wird doch von „depressiver Verstimmung“ geschrieben. Diese ist bitte deutlich zu unterscheiden von einer „klinischen Depression“ wie ihr es nennt. Sicher löst nicht jedes Scheitern eine Depression aus. Es löst ja auch nicht jede Schwierigkeit eine Krise aus.
Danke für den Hinweis. Tatsächlich geht das in den Beiträgen, auf die wir uns beziehen, munter durcheinander. Einen klaren Hinwaus darauf, ob die Befragten in der Studie an einer depressiven Verstimmung oder an einer ausgewachsenen Depression litten, haben wir nicht gefunden. Und weil das eben nicht klar gemacht wird, haben wir auch letztere einbezogen.