„Erwiesen: Männer können besser einparken, Frauen besser einfühlen“

StimmtHaltNicht – So, wie es die Solothurner Zeitung tut, lässt sich die jüngste Veröffentlichung der amerikanischen Forscherin Madhura Ingalhalikar sicher nicht zusammenfassen. Denn ums Einparken ging es in der Studie bestenfalls indirekt.

Die eigentliche Frage war: Sind die Gehirne von Männern und Frauen unterschiedlich verdrahtet? Das Team um Ingahalikar sagt: Ja, zwischen den Geschlechtern bestehen fundamentale Differenzen.

Allerdings haben einige Fachleute Bedenken an dieser in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Arbeit. Nach einer kritischen Einordnung haben wir zumindest in deutschsprachigen Medien vergeblich gesucht. FAZSpiegel Online und viele andere geben nur die Einschätzungen der Studienautoren wieder. Wir haben deshalb einige Kritikpunkte zusammengetragen.

Unterschiedliche Verbindungen bei Männern (oben) und Frauen. Bild: Ragini Verma/PNAS

Unterschiedliche Netzwerkaktivität, oben bei Männern und unten bei Frauen. Bild: Ragini Verma/PNAS

Zunächt jedoch ein paar Worte dazu, was die Wissenschaftler aus Philadelphia überhaupt gemacht haben. Sie untersuchten 949 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mithilfe der sogenannten Diffusions-Tensor-Bildgebung. Der Kniff dabei: Anhand der Bewegung von Wassermolekülen konnten sie Erkenntnisse über den Verlauf von Nervenfasern gewinnen. Ingalhalikar und ihr Team anlysierten dann die Daten und werteten dann aus, wie stark die Verbindungen zwischen 95 Bereichen des Hirns waren. Sie fanden Unterschiede zwischen diesen Netzwerken, abhängig vom Geschlecht der Versuchspersonen. So sei bei Männern die Vernetzung innerhalb der Hirnhälften stärker ausgeprägt; dafür seien bei Frauen linke und rechte Hirnhälfte besser miteinander verdrahtet.

Uns fehlt es am Vorwissen, um die Studie selbst im Detail unter die Lupe zu nehmen. Deshalb haben wir hier einige offene Fragen zu dieser Arbeit zusammengetragen:

  • Niemand bestreitet, dass es biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, etwa was Hirngröße und Hormonspiegel angeht. Bekannt ist jedoch auch, dass Männer und Frauen in vielen Lebensbereichen von ihrer Geburt an unterschiedlich behandelt werden. Es wäre verwunderlich, wenn sich das nicht auch in neurologischen Unterschieden ausdrücken würde. Ingalhalikar und Kollegen können aber nicht sagen, welche Ursachen die gefunden Differenzen zwischen Mann und Frau haben (mehr dazu: Tom Stafford/Are men better wired to read maps or is it a tired cliché?).
  • Die Forscher aus Philadelphia haben zwar statistisch signifikante Unterschiede gefunden. Diese waren allerdings ziemlich gering. Möglicherweise sind sie für den Alltag deshalb bedeutungslos (mehr dazu: Christian Jarrett/Getting in a Tangle Over Men’s and Women’s Brain Wiring).
  • Dazu passt: Eine frühere Studie des Forschungsteams um Ingahalikar fand nur sehr geringe psychologisch relevante Geschlechtsunterschiede. Dabei ging es um Fähigkeiten wie Aufmerksamkeitskontrolle, Gedächtnis, logisches Denken, räumliche Verarbeitung, sensomotorische Fähigkeiten und soziales Denken. Um Dinge wie einparken und einfühlen ging es übrigens auch in dieser Arbeit nicht (mehr dazu: Cordelia Fine/New insights into gendered brain wiring, or a perfect case study in neurosexism?).
  • Alternativhypothesen werden zu wenig berücksichtigt. So könnte es theoretisch sein, dass die gefundenen Unterschiede weniger mit dem Geschlecht der Versuchspersonen zu tun hatten als mit ihrer Hirngröße. Denn größere Hirne sind in der Regel anders verdrahtet als kleine. Es ist es möglich, dass die Befunde letztlich nur etwas über Unterschiede zwischen Menschen mit großen und kleinen Hirnen sagen; das Geschlecht wäre dann nicht die Ursache dieser Differenzen (mehr dazu: Cordelia Fine/New insights into gendered brain wiring, or a perfect case study in neurosexism?).
  • Nicht berücksichtigt wurden mögliche Messfehler durch Kopfbewegungen. Vielleicht unterscheiden sich Männer und Frauen auch dadurch, dass eine Gruppe den Kopf häufiger während eines Hirnscans bewegt als die andere (mehr dazu: Neuroskeptic/Men, Women, and Big PNAS Papers).

Quelle: Madhura Ingalhalikar et al (2013). Sex differences in the structural connectome of the human brain. PNAS, online vor Print, 2. December 2013. DOI: 10.1073/pnas.1316909110 (Abstract)

Stillen hilft langfristig gegen Übergewicht

StimmtHaltNicht – Der Muttermilch werden so einige gute Eigenschaften zugeschrieben. Einen positiven Einfluss auf das Gewicht hat sie jedoch nicht. In dieser Hinsicht spielt es keine Rolle, ob man als Baby an der Brust oder an der Flasche genuckelt hat. Darauf weisen Wissenschaftler um Krista Casazza hin.

Die Forscher haben sich für das New England Journal of Medicine populäre Diätmythen genauer angesehen. Und bei immerhin sieben der 20 Mythen fanden sich in den einschlägigen Quellen keine Belege.

So war es auch beim Schlankheitsmythos Muttermilch. Casazza und Kollegen haben Anhaltspunkte für eine systematische Verzerrung der bisherigen Veröffentlichungen gefunden. Offenbar wurden Daten, die diese These nicht unterstützten, nur selten publiziert. Je größer und methodisch besser Studien zum Thema gemacht waren, desto weniger Belege für diesen Mythos fanden sich. So konnte eine Langzeituntersuchung an 13.000 Kindern keinen Nachweis erbringen.

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Diätmythen auf dem Prüfstand

Sechs weitere Mythen zu einer schlanken Figur hielten dem Check der amerikanischen Forscher ebenfalls nicht stand:

  1. Kleine Veränderungen des Lebensstils können die Kilos in großem Umfang purzeln lassen. Sicher schadet es nicht, öfter mal die Treppe statt den Fahrstuhl zu nehmen. Doch wer ernsthaft abnehmen will, scheint an ebenso ernsthaften Veränderungen nicht vorbeizukommen.
  2. Realistische Ziele sind besser als ambitionierte Vorstellungen. Klingt eigentlich vernünftig, sagen die Autoren – schließlich kann man sich gut vorstellen, dass Frustration die Gefahr erhöht, ganz aufzugeben. Doch überraschenderweise ergab sich kein eindeutiges Bild zum Nachteil der ehrgeizigen Diätpläne. Das galt sowohl für das Befolgen des jeweiligen Abnehmprogramms, als auch für den tatsächlichen Gewichtsverlust.
  3. Crashdiäten bringen nichts. Zwar mag es ungesund sein, schnell viel Gewicht zu verlieren. Casazza und Kollegen zitieren aber eine umfangreiche Metaanalyse, derzufolge es langfristig weitgehend egal ist, in welchem Tempo man anfangs abgenommen hat.
  4. Je größer die innere Bereitschaft zu einer Diät, desto größer der Erfolg. Wer zumindest einen minimalen Willen hat und sich zum Beispiel für ein Abnehmprogramm anmeldet, hat den wichtigsten Schritt getan. Aus dem Willen zur Veränderung lässt sich offenbar nicht genauer vorhersagen, wie erfolgreich die Diät sein wird.
  5. Sportunterricht hilft, Fettleibigkeit unter Kindern vorzubeugen. Casazza und ihr Team zitieren etwa eine Untersuchung aus der Schweiz. Dort waren die Ergebnisse inkonsistent, ein eindeutige Empfehlung lässt sich daraus nicht ableiten. Auch zwei Metaanalysen brachten wenig Argumente für die derzeitig praktizierten Leibesübungen. Allerdings: Grundsätzlich sei Sport natürlich ein probates Mittel gegen Fettleibigkeit. Aber ob die dafür nötige Kombination von Häufigkeit, Intensität und Dauer im Schulsystem Platz habe, sei fraglich.
  6. Abnehmen durch Geschlechtsverkehr. Angeblich verbrennt jeder Teilnehmer 100 bis 300 Kilokalorien beim Sex. Auch das ist leider falsch. Tatsächlich verbraucht man beim Liebesakt nicht mehr Energie als beim Spaziergang. Ein 70 Kilo schwerer Mann verliert beim Sex nur etwa 3,5 Kalorien pro Minute.

Um es also noch einmal ganz klar zu sagen: Die Forscher um Krista Casazza sagen zu jedem dieser Mythen – Stimmt halt nicht.

 

Quellen:
Krista Casazza et al. (2013). Myths, Presumptions, and Facts about Obesity. New England Journal of Medicine 368/5, 446-454. DOI: 10.1056/NEJMsa1208051 (Volltext)
Deutschsprachiger Beitrag in der Pharmazeutischen Zeitung
James Thompson: Diet is an IQ test. Psychological Comments, 20. November 2013 (Link)

Wissenschaft ist perfekt

StimmtHaltNicht – Wissenschaftliche Aussagen sind nur selten perfekt. In der Regel sind sie eine Annäherung an die Wahrheit.* Wenn in der Medizin beispielsweise die Wirksamkeit eines neuen Medikaments wissenschaftlich bestätigt wurde, bedeutet das nicht, dass alle Menschen gleichermaßen davon profitieren.

Ohne Titel
Der Beitrag von Sutherland et al. in Nature. Screenshot: StimmtHaltNicht

Oft sind wissenschaftliche Aussagen Angaben über Wahrscheinlichkeiten. Nicht immer wird das in der Öffentlichkeit so wahrgenommen. Hört man etwa in der Werbung von wissenschaftlich erwiesenen Belegen für einen abwehrstärkenden Effekt von Joghurt, dann glaubt man: Das muss ja stimmen. Aber diese Belege, die sogenannte wissenschaftliche Evidenz, sind eben nicht perfekt. Sie können mehr oder weniger stichhaltige Aussagen über die Realität treffen. Was wäre zum Beispiel, wenn die förderliche Wirkung eines Joghurts nur an drei kerngesunden Mitarbeitern des Herstellers gestet wurde – und die beteiligten Wissenschaftler zusätzlich einen Fehler in ihren Daten übersehen haben?

Die gute Nachricht: Wie vertrauenswürdig wissenschaftliche Aussagen sind, lässt sich beurteilen. Von Vorteil ist das natürlich für jeden Einzelnen. Besonders wichtig ist es aber, dass Personen, die politische Entscheidungen treffen oder an der gesellschaftlichen Meinungsbildung beteiligt sind, zumindest ungefähr wissen, wovon sie sprechen: Schließlich kann ihr Handeln weitreichende Konsequenzen haben.Roblox Hack Free Robux

Für letztere Personengruppe haben Wissenschaftler um William Sutherland von der Universität Cambridge (UK) „20 Tipps zur Interpretation von wissenschaftlichen Aussagen“ erstellt und sie im Fachmagazin Nature veröffentlicht. Sutherland und Kollegen erklären darin vor allem, welche Fragen man sich stellen sollte, wenn einem scheinbar objektive Daten vorlegt werden, etwa: Wie wahrscheinlich ist es, dass dieses Ergebnis falsch ist? Sie richten sich in erster Linie an Politiker und deren Umfeld. Ebenso sollten sie jedoch auch in der Journalistenausbildung enthalten sein, so die Wissenschaftler.

„To this end, we suggest 20 concepts that should be part of the education of civil servants, politicians, policy advisers and journalists — and anyone else who may have to interact with science or scientists. Politicians with a healthy scepticism of scientific advocates might simply prefer to arm themselves with this critical set of knowledge.“

Wir finden, dieser Artikel ist Pflichtlektüre.

Quelle: 
William J. Sutherland, David Spiegelhalter, Mark A. Burgman (2013). Policy: Twenty tips for interpreting scientific claims. Nature 503, 335–337. Doi: 10.1038/503335a URL: http://www.nature.com/news/policy-twenty-tips-for-interpreting-scientific-claims-1.14183

* Über den Wahrheitsbegriff in der Wissenschaft wurden bereits Bücher gefüllt. Erste Anhaltspunkt dazu gibt unter http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftstheorie

Einer von zehn Männern steht auf Kinder

StimmtHaltNicht – Zwar gibt die amerikanische Forscherin Sandy Wurtele an, genau dieses Ergebnis bei einer Untersuchung herausbekommen zu haben. Allerdings weckt ihre Methodik Zweifel.

fahndung-01Aber fangen wir von vorne an: Wurtele befragte 435 Probanden, Männer und Frauen. Alle blieben bei der Erhebung vollständig anonym. Den Teilnehmern wurden eine Reihe von gesellschaftlich geächteten Handlungen vorgelegt. Neben Sex mit Kindern und Kinderpornografie standen auf der Liste auch Banküberfälle und Mord. Jede Handlung würde, so das Gedankenspiel, im Geheimen stattfinden und straffrei bleiben.

Die Versuchspersonen sollten angeben, für wie erstrebenswert sie diese Tätigkeiten hielten. Auf einer sechsstufigen Skala konnten sie sich zwischen starker Zustimmung und strikter Ablehnung entscheiden.

Auch Wurtele entschied sich, und zwar für einen Kniff bei der Auswertung. Sie wertete nur strikte Ablehnung als Ablehnung. Alle Grautöne dazwischen zählte sie als Zustimmung. Wer also, aus welchen Gründen auch immer, nicht entschiedenen genug „Nein“ sagte, wurde als potenzieller Pädophiler einsortiert.

Dies ist vielleicht die passende Stelle, um darauf hinzuweisen, dass wir diese Studie nicht selbst ausgegraben und ausgwertet haben, sondern beim Neuroskeptic-Blog entdeckt haben. Und dort heißt es zusammenfassend:

„I’m not sure that makes sense.“

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Bisher zumindest scheinen noch keine Medien auf diese Studie hereingefallen zu sein.

Quellen:
Sandy Wurtele et al. (2013). Sexual Interest in Children Among an Online Sample of Men and Women: Prevalence and Correlates. Sexual Abuse, online vor Print (Abstract)
Neuroskeptic (2013). Are One In Ten Men Sexually Attracted To Children? (Link) (auf diese Auswertung stützen wir uns; an den Volltext der Originalstudie sind wir nicht herangekommen)
Bildquelle: www.pixelio.de

Himalaya-Salz stammt aus dem Himalaya-Gebirge

StimmtHaltNicht – Tatsächlich werden die meisten Himalaya-Salze etwa 200 Kilometer entfernt vom Himalaya-Massiv abgebaut – in der pakistanischen Salt Range. Das schreibt die Stiftung Warentest auf ihrer Website. Die meisten dieser Produkte werden also unter falschem Namen verkauft. Das ist zwar seit 2010 verboten. Doch Anbieter finden immer wieder kreative Namenslösungen wie „Ayurvedisches Zaubersalz“ oder „Kristallsalz Himalaya“. Und einige verwenden den Namen „Himalaya-Salz“ einfach weiter. Ein Beispiel für letzteres ist der Lebensmitteldiscounter Norma. Erhältlich ist dort ein „Tao Asia Himalaya-Salz“, dessen Name somit nicht rechtens ist.

Gesalzene Preise: Für das Himalaya-Salz bei Norma muss man tief in die Tasche greifen, mit einem positiven Effekt auf die Gesundheit können Konsumenten jedoch nicht rechnen.

Gesalzene Preise: Für das Himalaya-Salz bei Norma muss man tief in die Tasche greifen. Screenshot: SHN

Mit 4,99 Euro für 1,5 Kilogramm ist das Himalaya-Salz von Norma etwa zehn Mal teurer als herkömmliches Salz vom Discounter. Doch was bring Menschen dazu, für die rosa Kristalle derart tief in die Tasche zu greifen?

Nun, mancher glaubt, das Himalaya-Salz sei durch sein Alter und einige enthaltene Elemente besonders gesund oder heile sogar Krankheiten. Doch weit gefehlt: Die Hoffnung auf gesundheitliche Vorteile durch in den Salzen enthaltenen Mineralstoffe oder Spurenelement ist vergebens. „Für einen Gesundheitseffekt sind die Mengen der Stoffe zu gering“, schlussfolgern die Experten der Stiftung Warentest nachdem sie das Norma-Salz untersucht haben. Und mehr noch: Wer viel Himalaya-Salz (oder solches aus dem Salt Range) konsumiert – beispielsweise täglich einen Trunk von Salzsole, um seinen Säure-Basen-Haushalt auszugleichen* – steigert sogar sein Risiko für Bluthochdruck.

Quelle: Stiftung Warentest, Tao Asia Himalaya-Salz von Norma: Mit Kräutergeruch und täuschendem Namen, 11.10.2013, (Link)

* Ja, es gibt Menschen, die so etwas trinken. Dass das Murks ist, kann man sich denken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sagt es aber (in einem älteren Beitrag) auch noch einmal.

„Jedes Kind ist hochbegabt“

StimmtHaltNicht – Der Trailer beginnt mit den Bildern einer Wüste im Dämmerlicht. Aus dem Off lobt eine Stimme erst die menschliche Vorstellungskraft. Dann warnt sie, dass Kindern diese Imaginationsfähigkeit systematisch ausgetrieben werde. Es folgt ein Schnitt, eine Texttafel wird eingeblendet:

„98 Prozent der Kinder kommen hochbegabt zur Welt. Nach der Schule sind es nur noch zwei Prozent.“

So wirbt der Regisseur Erwin Wagenhofer für seinen aktuellen Film. Seit vergangenem Donnerstag (31. Oktober 2013) wird Alphabet in Deutschland gezeigt. Am Ende des Trailers wiederholt der Neurowissenschaftler Gerald Hüther noch einmal die These, dass jedes Kind hochbegabt sei.

Wie man es auch dreht und wendet: Das ist Quatsch. Denn Hochbegabung ist ein halbwegs klar umrissenes Konzept aus der Intelligenzforschung. Hochbegabt ist, wer intellektuelle Leistungen erbringt, die weit über dem Durchschnitt liegen. Per Definition liegt der Durchschnitts-IQ bei 100. Hochbegabt ist, wer auf einen IQ von mehr als 130 kommt. Von 100 Menschen, die sich testen lassen, sind das etwa zwei.

Dabei ist Intelligenz relativ. Nehmen wir an, 98 Prozent der Kinder könnten bereits bei ihrer Geburt lesen. Das wäre beeindruckend. Doch vergliche man ihre Fähigkeiten, würde wieder ein Durchschnitts-IQ von 100 herauskommen. Denn Intelligenz ist, anders als etwa die Körpergröße, nie absolut, sondern entsteht immer im Vergleich zu anderen Menschen.

Die Aussage aus dem Alphabet-Trailer erinnert ein wenig an eine ältere Studie von Psychologen um Iain McCormick: Demnach halten sich 80 Prozent der Autofahrer für überdurchschnittlich gute Fahrzeuglenker. Und auch das kann, statistisch gesehen, natürlich nicht sein.

Quellen:
Trailer des Films Alphabet (Link)
Iain A. McCormick, Frank H. Walkey, Dianne E. Green (1986). Comparative perceptions of driver ability— A confirmation and expansion. Accident Analysis & Prevention, 18/3, 1986, 205-208 (Abstract)
Rena F. Subotnik, Paula Olszewski-Kubilius, Frank C. Worrell (2011). Rethinking Giftedness and Gifted Education: A Proposed Direction Forward Based on Psychological Science. Psychological Science in the Public Interest 12/1, 3-54 (Link)
Ian J. Deary, Alexander Weiss, G. David Batty (2010). Intelligence and Personality as Predictors of Illness and Death: How Researchers in Differential Psychology and Chronic Disease Epidemiology Are Collaborating to Understand and Address Health Inequalities. Psychological Science in the Public Interest 11/2, 53-79 (Link)

Kann die Huffington Post Wissenschaft?

StimmtHaltNicht – Seit knapp zwei Wochen ist die deutsche Huffington Post nun online. Über das Geschäftsmodell und die allgemeine Qualität ist on- und offline schon viel gesagt und geschrieben worden (zum Beispiel hier, hier und hier).

Wir sind Wissenschaftsjournalisten. Deshalb interessiert uns: Findet auf www.huffingtonpost.de auch Wissenschaftsjournalismus statt?

Wissenschaftsjournalismus ist, einfach gesagt, wenn Journalisten über das berichten, was Forscher so treiben. Wobei es sich eingebürgert hat, dass vorwiegend das thematisiert wird, was Naturwissenschaftler, Mediziner und Psychologen herausfinden. Erfahrungsgemäß haben Geisteswissenschaften ihre Heimat heute eher im Feuilleton.

Nach diesem, eher eng gefassten Verständnis, gibt es tatsächlich eine Handvoll Texte auf der deutschen Huffington Post, die als Wissenschaftsjournalismus durchgehen. Wir haben fünf eigene Beiträge entdeckt und einige Agenturmeldungen. Das ist nicht viel, aber vielleicht genug, um eine erste Einschätzung zu wagen.

Auffällig ist: Die Autoren der Huffington Post gehen ziemlich lax und intransparent mit Quellen um. Für alle Journalisten gehört es dazu, deutlich zu machen, woher sie ihre Informationen haben. Wer über Wissenschaft berichtet, hat es eigentlich besonders leicht, denn Forscher veröffentlichen ihre Ergebnisse in Fachjournalen. Aus diesen Quellen lässt sich bequem zitieren. Online sind Links ohne größeren Aufwand möglich.

Konkret liest sich das dann in der Huffington Post so: „Geld macht nicht glücklich. Aber wie eine Studie im „Science“ Magazin herausfand, hat es einen positiveren Effekt auf sein persönliches Glücksempfinden, wenn man für andere Geld ausgibt und nicht für sich selbst.“

Mal davon abgesehen, dass nicht Studien, sondern Wissenschaftler Dinge herausfinden – wenn man nicht weiß, worauf sich diese Sätze beziehen (nämlich auf diese Studie aus dem Jahr 2008), ist es schwer, zu verstehen, was die Autorin meint. Nun stammt dieses Beispiel aus einem Text über die Geheimnisse glücklicher Menschen, der aus der amerikanischen Huffington Post übersetzt wurde.

Vielleicht sind die eigenen Beiträge besser? Nicht wirklich. Ein gutes schlechtes Beispiel ist etwa der Text Stimmungstief Im Herbst: So Bringen Sie Licht In Ihren Alltag. Keine einzige Aussage wird durch eine Quelle gestützt. Dafür gibt es Tipps wie: „Gute Laune dank Johanniskraut-Tee. Johanniskraut wirkt doppelt: Es hilft gegen Depressionen und erhöht die Lichtempflindlichkeit. Augen und Haut können mehr Licht aufnehmen.“ Neben dem fehlenden Beleg für diese Aussage vermissen wir auch einen Hinweis auf mögliche Nebenwirkungen einer solchen Selbstmedikation.

Die anderen Texte, die wir uns angesehen haben, schwanken zwischen ganz okay und Kopfschütteln. Unser Fazit: Da ist noch viel Luft nach oben. Natürlich ist niemand gezwungen, über Themen der Wissenschaftswelt zu berichten. Nur: Wenn man sich dafür entscheidet, sollte man es richtig machen.

BfR: „Grillen mit Holzkohle ist nichts für den Innenraum!“

Ach Nee. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt davor, im Wohnzimmer zu grillen. Wer hätte das gedacht, oder, anders gefragt: Hat ernsthaft jemand geglaubt, er könne seinen Holzkohlegrill einfach im Innenbereich anwerfen?

Nun gut, das Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine seriöse Einrichtung. Deshalb haben wir uns die Pressemitteilung genauer angeschaut. Und tatsächlich: Die Fachleute haben nicht untersucht, was offenes Feuer im Haus für Konsequenzen hat. Nein, die Bfr-Leute haben getestet, welche Mengen des giftigen Gases Kohlenmonoxid von sogenannten Indoor Grills freigesetzt wird. Diese speziellen Geräte arbeiten nicht mit offenem Feuer, sondern nur mit glühender Holzkohle. Nach Angaben des BfR entsteht dabei in zwei Stunden eine Kohlenmonoxidkonzentration, die zu Bewusstlosigkeit führt. Allerdings, und wir haben keine Ahnung, wie realistisch das ist, gehen die Experten von davon aus, dass 800 Gramm Holzkohle verwendet wird und der Raum nicht gelüftet wird.

Besser nicht im Wohnzimmer benutzen. Foto: Avda/Wikipedia, Bearbeitung SHN

Besser nicht im Wohnzimmer benutzen. Foto: Avda/Wikipedia, Bearbeitung SHN

Insofern ist die eigentliche Pressemitteilung des BfR nicht wirklich lustig, aber auch nicht großartig erhellend. Offen bleibt etwa die Frage: Nutzen tatsächlich viele Menschen Indoor Grills unter den vom BfR angenommen Bedingungen? Abgesehen davon führt die Überschrift ziemlich auf den Holz(kohle)weg. Gerade wenn man zuvor noch nie im Leben von Indoor Grills gehört hat, vermutet man doch: Was sind das für Komiker, die ihren Holzkohlegrill aus dem Garten ins Wohnzimmer schleppen und da erstmal ein Feuerchen anzünden? Wir waren übrigens nicht die Einzigen, die sich haben verwirren lassen, wie man an der Bebilderung auf Welt Online sehen kann. Wie die Teile tatsächlich aussehen? So zum Beispiel.

(Die Quellen sind im Text verlinkt.)

„Wer kein Geld hat, denkt langsamer“

StimmtHaltNicht – Lässt sich in drei Sätzen erklären, wie Armut und Intelligenz zusammenhängen? Schon wer als arm gilt und was man unter Intelligenz überhaupt zu verstehen hat, ist nicht immer ganz einfach zu erklären. Die Bild-Zeitung hat es am Samstag trotzdem versucht. Auf Seite 1 wird dort eine Studie aus dem Fachblatt Science so zusammengefasst: „Wer Geldsorgen hat, ist nicht nur ärmer, sondern auch dümmer […].“ Im zweiten Satz heißt es, wer arm sei, schneide in Intelligenztests um 13 Punkte schlechter ab als andere Menschen. Warum? Möglicherweise blockieren Geldsorgen das Denken.

Ist das wirklich so einfach? Wäre famos, wenn es so wäre. Tatsächlich beziehen sich die Bild-Journalisten auf eine interessante Studie der Wirtschaftswissenschaftlerin Anandi Mani von der University of Warwick. Aber Mani hat eben nicht herausgefunden, dass arme Menschen dümmer sind als andere. In einer Serie von Versuchen bat Mani Probanden mit unterschiedlichen Einkommen, an Intelligenztests teilzunehmen. Zuvor sollten die Versuchspersonen verschiedene Szenarien durchdenken. Dabei sollten sie sich zum Beispiel vorstellen, ihr Auto sei kaputt. Die Reparatur koste 1500 Dollar (teure Bedingung) oder 150 Dollar (neutrale Bedingung).

Foto: StimmtHaltNicht

Warum Heino der Affe laust? Wissen wir leider auch nicht. Foto: StimmtHaltNicht

War die Autoreparatur eher billig, hatte das keinen Einfluss auf die Ergebnisse. Alle Teilnehmer schnitten ähnlich gut ab. Anders sah es nur aus, wenn der Hinweis auf eine teure Reparatur die ärmeren Versuchspersonen an ihren Kontostand erinnerte. Das beschäftigte sie so stark, dass sie im Durchschnitt schlechter abschnitten. So kommt die Bild-Zeitung auf einen Verlust von 13 IQ-Punkten. Um das einordnen zu können, wäre ein Vergleich hilfreich gewesen, der sich in der offiziellen Pressemitteilung findet. Dort heißt es, die Denkfähigkeit sei etwa so stark beeinträchtigt wie nach einer schlaflosen Nacht.

Das ist nicht unplausibel. Wir alle haben nur begrenzte geistige Ressourcen. Wer plötzlich daran denken muss, dass ihm Geld auf dem Konto fehlt, ist wahrscheinlich wirklich nicht in der Lage, sich voll auf einen Intelligenztest zu konzentrieren. Die Forscher vergleichen das mit Fluglotsen, die gerade dabei sind, eine Kollision von zwei Flugzeugen zu verhindern – sie haben dann auch weniger Ressourcen für die anderen Flugzeuge auf dem Radar. Sind Fluglotsen in seiner solchen Situation plötzlich „dümmer“ als sonst?

Es braucht vielleicht etwas Platz, um das zu erklären (wie ihn sich etwa die Kollegen im Deutschlandfunk genommen haben). Die Bild-Mitarbeiter hätten ihn sich nehmen sollen. Das ist auch eine Frage des Respekts und der Verantwortung. Denn sonst bleibt schnell hängen: Arm gleich dumm gleich selber schuld.

Quellen:
Bild-Zeitung vom 31. August 2013, Seite 1 (die Online-Version ist nicht ganz so knapp)
Anandi Mani, Sendhil Mullainathan, Eldar Shafir, Jiaying Zhao (2013). Poverty Impedes Cognitive Function. Science, 341, 976-980 (Abstract)
Pressemitteilung der Princeton University vom 29. August 2013: Poor concentration: Poverty reduces brainpower needed for navigating other areas of life (Link)

Ein hoher Cholesterinwert muss behandelt werden

StimmtHaltNicht – Zwar sind zu hohe Werte von Cholesterin ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen; sie erhöhen zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts. Allerdings ist ein hoher Cholesterinwert selbst keine Krankheit. Und wie hoch das Risiko für ernsthafte Schädigungen ist, können Ärzte nur beurteilen, wenn sie auch andere Einflüsse berücksichtigen. Dazu zählen zum Beispiel Alter, Geschlecht, Rauchen und familiäre Veranlagung.

Auf www.gesundheitsinformation.de haben wir ein schönes Beispiel dafür gefunden: Bei zwei 50-jährige Frauen wird der gleiche Cholesterinwert gemessen. Eine von beiden, Isolde, raucht. Ihr Vater hatte einen Herzinfarkt noch bevor er 55 Jahre alt wurde. Isoldes Risiko, selbst in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden, liegt bei 18 Prozent. Dagegen hat eine andere Frau, Verena, die tabakfrei lebt und keine familiäre Vorgeschichte aufweist, ein Risiko von nur vier Prozent.

Das Beispiel ist nur ein kleiner Schnippsel aus der Gesundheitsinformation.de-Zusammenstellung. Wer sich intensiver in das Thema einlesen möchte, dem empfehlen wir die Beiträge:

  • Was ist Cholesterin und wie entsteht Arteriosklerose? (Link) und
  • Überblick: Erhöhte Cholesterinwerte (Link).

Wer etwas Nachhilfe dazu braucht, wie Infarkte entstehen: Dieses (englischsprachige) Video hilft auf die Sprünge: https://www.khanacademy.org/science/healthcare-and-medicine/heart-disease-and-stroke/v/heart-disease-and-heart-attacks.